WS 2012/13 Literarisches Übersetzen: Italienisch

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WS 2012/13 Literarisches Übersetzen: Italienisch
WS 2012/13
Literarisches Übersetzen: Italienisch-Deutsch
Text 1:
Sandro Veronesi: Caos calmo, Milano (Bompiani) 2008:48
(Inhalt: Ein Vater, dessen Lebensgefährtin überraschend gestorben ist, beschließt eine
Auszeit zu nehmen und sich ganz der Tochter zu widmen; er wartet z.B. jeden Tag vor
der Schule auf sie.)
Autorisierte Übersetzung: S.Veronesi/U.Hartmann, Stilles Chaos, München (Random)
2009:49-50
Vorschlag für eine Musterübersetzung:
Das Schultor wird geöffnet und von drinnen ertönt das altmodische/altertümlich Klingeln der
Schulglocke. Maria, die Hausmeisterin, bittet die Eltern das Tor freizuhalten und sich im Halbkreis
davor aufzustellen. Ihr Eingreifen bewirkt ein Minimum an Geometrie in der fraktalen Komplexität
des Gedrängels. Heute ist ein besonderer Tag, doch die Hausmeisterin Maria wird diese Aktion sicher
tagtäglich wiederholen müssen, denn die einmal zurückgewichenen Eltern würden sonst immer
wieder in das Tor drängen.
Die Mutter von Benedetta löst sich aus einem Grüppchen anderer Mütter und kommt auf mich zu.
Ich bin an mein Auto gelehnt auf der anderen Straßenseite stehengeblieben, ohne mich am Kampf
um die Plätze in der ersten Reihe zu beteiligen. Sie ist eine attraktive Frau um die Vierzig, hat
mandelförmige Augen, kurzgeschnittene Haare und einen breiten Kiefer. Wie ein junges Mädchen
trägt sie ein knappes Top, das auf Nabelhöhe einen hübschen Streifen ihres flachen und straffen
Bauchs freilässt. Sie muss jede Menge Aerobic machen, um so in Form zu bleiben.
Ihre Gesichtshaut dagegen wirkt strapaziert, fast welk, vielleicht weil sie, um immer braungebrannt
zu sein, zu viel auf der Sonnenbank liegt. Ihre ebenmäßigen, unglaublich weißen Zähne blitzen jetzt
für mich auf: “Wie ist es gelaufen?”, erkundigt sie sich, als sei diese Frage berechtigt. Nur wenn sie
wüsste, dass ich den ganzen Tag hier draußen geblieben bin, würde die Frage einen Sinn ergeben,
aber sie weiß es ja nicht.
“Gut.”
Text 2:
Umberto Eco: „Come evitare malattie contagiose“, in: id., Secondo diario minimo, Milano
(Bompiani) 1992:85
Tanti anni fa un attore della televisione, che non faceva mistero della propria
omosessualità, disse a un giovane carino che palesemente tentava di sedurre: „Ma tu vai
con le donne? Non sai che fanno venire il cancro?“ La battuta viene ancora citata nei
corridoi di corso Sempione, ma ora è finito il tempo di scherzare. Leggo che il professor
Matré ha rivelato che il contatto eterosessuale provoca il cancro. Era ora. Dirò di più, il
contatto eterosessuale provoca la morte tout court: lo sanno anche i bambini che esso
serve alla procreazione e più gente nasce, più gente muore.
Con scarso senso di democrazia la psicosi dell’AIDS minacciava di limitare le attività dei
soli omosessuali. Ora limiteremo anche le attività eterosessuali e tutti saremo di nuovo
uguali. Eravamo troppo spensierati, e il ritorno agli untori serve a darci una più severa
coscienza dei nostri diritti-doveri.
Vorrei tuttavia sottolineare che lo stesso problema dell’AIDS è più serio di quanto non
crediamo e non riguarda solo gli omosessuali. Non vorrei diffondere eccessivo
allarmismo, ma mi permetto di segnalare altre categorie ad alto rischio.
Kommentar [W1]: Altertümlich im
Duden: a) aus alter Zeit stammend; in der
Art früherer Zeiten; archaisch: eine
altertümliche Wohnungseinrichtung,
Schrift; ein altertümlicher Ausdruck; b) das
Altertum (b) betreffend, daraus stammend:
dass Freude und Belehrung nur dem
genausten Kenner altertümlicher Baukunst
daraus entspringen kann (Goethe, Italien.
Reise 6. 5. 1787 *Sizilien+).
Kommentar [W2]: Santo kann nicht
mit „verflixt“ (s.o.) übersetzt werden, santo
hat lediglich verstärkende Wirkung
(„rafforzativo“).
Kommentar [W3]: Leider gibt es keine
Möglichkeit, die Polysemie von regredito
(etwa 1.‚dumm‘ und 2.‚zurückgewichen‘)
wiederzugeben. Regrediert (s.o.) deckt nur
Bed. 1 ab.
Kommentar [W4]: „Mitgenommen“
(s.o.) halte ich für eine sehr gute und
korrekte Übersetzung von sciupata.
Kommentar [W5]: Pronomen
ungünstig, könnte sich auch auf
„Gesichtshaut“ beziehen.
Vorschlag für eine Musterübersetzung:
Wie man ansteckende Krankheiten meiden* kann.
Vor vielen Jahren fragte einmal ein Fernsehschauspieler, der aus seiner Homosexualität kein
Geheimnis machte, einen hübschen jungen Mann, den er ganz offen verführen wollte: „Gehst
du etwa mit Frauen? Weißt du denn nicht,
dass man von ihnen Krebs bekommt?"
Dieser Witz kursiert noch heute auf den Fluren der RAI, aber jetzt ist Schluss mit lustig. Ich
habe gelesen, dass Prof. Matré endlich enthüllt hat, dass heterosexuelle Kontake Krebs
auslösen.
(Ein Prof. namens Matré hat endlich enthüllt, so lese ich, dass heterosexuelle Kontakte
Krebs auslösen.)
Es war höchste Zeit.
Ich würde sogar noch weitergehen: heterosexuelle Kontakte führen - tout court - zum Tod.
Sie dienen der Fortpflanzung, das wissen schon die Kinder, und je mehr Menschen geboren
werden, desto mehr sterben auch. Ohne jeglichen Sinn für Demokratie drohte die AidsPanik ausschließlich Homosexuelle in ihren Aktivitäten zu bremsen. Jetzt werden wir auch
die heterosexuellen Aktivitäten einschränken müssen und dann sind wir wieder alle gleich.
Wir waren zu sorglos und die Rückkehr zur Angst vor vermeintlichen „Pestbringern“ dient nun
dazu, das Bewusstsein für unsere Rechte und Pflichten zu schärfen. Ich möchte (trotzdem**)
betonen, dass eben jenes Problem mit AIDS gravierender ist, als wir denken und dass es nicht
nur die Homosexuellen betrifft. Ohne übertriebene Angst verbreiten zu wollen, erlaube ich mir,
auf Ansteckungsrisiken in anderen Bereichen hinzuweisen.
*evitare – Zingarelli: scansare, schivare > ‚meiden’ (nicht: ‚vermeiden’)
** vorrei tuttavia sottolineare/bisogna tuttavia sottolineare/occorre tuttavia sottolineare formelhaft, adversativer Charakter ('trotzdem') von tuttavia ist abgeschwächt.
Text 3:
Stefano Benni: „La traversata dei vecchietti“, in: id., Il bar sotto il mare, Milano
(Feltrinelli), 161994:117-19
Vorschlag für eine Musterübersetzung
Zwei Alte wollten einmal die Straße überqueren. Sie hatten erfahren, dass es auf der anderen
Seite einen Park mit einem kleinen See gab. Dort wären Aldo und Alberto, so hießen die beiden,
gerne hingegangen.
Also versuchten sie die Straße zu überqueren, aber es war Berufsverkehr und der (stetige) Strom
von Autos wollte nicht abreißen.
„Komm’, wir suchen eine Ampel!“, sagte Aldo. „Gute Idee“, sagte Alberto.
Sie liefen so lange, bis sie eine fanden, aber der Verkehr war so dicht, dass die Autos sogar den
Zebrastreifen blockierten. Aldo wagte sich ein paar Meter vor, wurde aber sofort durch Hupen
und Fluchen wieder zurückgescheucht.
Also sagte er: „Versuchen wir es doch in einem Augenblick, wo alle gerade halten“. Aber der
Verkehr war so dicht, dass die Alten, obwohl sie dünn waren wie Heringe, einfach nicht
durchkamen. Dann blieb Aldo auch noch an einer Stoßstange hängen. Der Autobesitzer stieg
wütend aus, packte ihn unter den Achseln, zerrte ihn weg und setzte ihn, weil ihm nichts anderes
einfiel, auf die Motorhaube von einem anderen Wagen.
„He, nein, hier nicht!“, sagte der Besitzer des zweiten Wagens, hob Aldo hoch und deponierte ihn
auf dem Dach eines Kleinlasters.
(...)
Text 4:
Sibilla Aleramo, Una donna, Milano (Feltrinelli) 1995, 1. Ausg. 1906, S. 125-126.
(Der autobiographische Roman ist einer der ersten feministischen Texte, die Italien
veröffentlicht wurden. In der hier beschriebenen Szene ist die Protagonistin bereits
unglücklich verheiratet, ihr Mann arbeitet als Angestellter bei ihrem Vater, zu dem sie
als Kind ein besonders inniges Verhältnis hatte.)
Un pomeriggio vidi rientrare inaspettatamente mio marito stravolto in viso, brutto a
vedersi come diveniva ogniqualvolta gli si scatenavano nell'animo le sue passioni
primitive. Era venuto a diverbio con mio padre e aveva abbandonato l'ufficio
dichiarando che non vi sarebbe rientrato mai più.
Una visione remota mi si affacciò alla memoria: mio padre, il giorno in cui aveva lasciato
il suo posto a Milano. Com'egli era sereno, quasi ilare di trovarsi di fronte ad un avvenire
ignoto ma libero! Dalla stessa calma, quasi da letizia, mi sentivo invasa io, adesso,
mentre mio marito mal celava il suo rammarico, non di aver offeso il padre di sua
moglie, l'uomo a cui doveva tutto, ma di essersi rovinata la situazione.
La cosa era irreparabile. Mio padre non avrebbe certo perdonato. L'apparente sua
indifferenza verso i figli sembrava si trasformasse da qualche tempo in un rancore più e
più amaro, smanioso di sfogo. Forse era per l'influenza della donna colla quale passava
la maggior parte del tempo libero dalle occupazioni della fabbrica. Forse sospettava che
noi ci ritenessimo defraudati del denaro ch'egli spendeva largamente per quella
famiglia. In verità io esitavo ancora nel giudicarlo: mi dicevo ch'egli doveva soffrire dal
suo canto essendosi lasciato sfuggire per sempre il cuore delle sue creature; ch'egli non
era ancora abbastanza lontano dal suo passato di fervore intellettuale e di tenerezza per
non averne un'istintiva nostalgia.
Text 5:
Paola Capriolo: La grande Eulalia, Milano (Feltrinelli) 1990:7-8 (Textbeginn)
Text (nicht ganz vollständig) bei google books:
http://books.google.de/books?id=WQEdR7ChwJAC&printsec=frontcover&hl=de#v=one
page&q&f=false
(La grande Eulalia erzählt die fiktive, weder zeitlich noch räumlich fixierbare Geschichte
einer großen, schließlich aber einsamen Schauspielerin.)
Vi racconterò ogni cosa, esattamente come si svolse, a cominciare dalla sera
in cui la vidi per la prima volta.
Si accostò ai nostri carri, mentre dicevamo le parti raccolti intorno al fuoco,
ed era una ragazza come se ne trovano in tutti i paesi, timida, né brutta né bella. Non
ricordo che nome portasse, ma certo era diverso da quello, noto a ciascuno, che in
seguito assunse.
Vestiva da contadina, e si avvicinava esitante. I suoi occhi si posavano sui
costumi di noi attrici, adorni di trine e di ricami, sulle parrucche alte, simili a quelle
delle dame. Si posavano sugli arredi di scena, sui fondali dipinti che giacevano
ammucchiati davanti a uno dei carri, e i riflessi mobili della fiamma vi scoprivano un
intrico di rami, o il marmo di un verone, o il pallido disco della luna sulle acque di un
lago, scure e profonde. Si posavano sugli strumenti che usavamo nelle recite per far
meglio apparire l’accento delle passioni: legno lucido, ottone splendente, pelle
d’asino tesa sulla cassa del tamburo incoronata di chiodi.
Su ogni cosa si posavano gli occhi della giovane contadina, e ogni cosa
contemplavano con uguale stupore. Muoveva il piede con cautela, come se a ciascun
passo temesse di veder svanire tutte quelle meraviglie e ritrovarsi sola nella notte
senza incanti della campagna.
Fui io, ricordo, a parlarle per prima. – Chi sei, ragazza? Cosa vuoi? – Così le
dissi, pressappoco, e risi nel vederla piegare a terra il ginocchio e chinare il capo,
intimidita dagli stracci dorati che ancora indossavo, poiché quella sera, al villaggio,
avevo recitato una parte di regina.
E risero anche i miei compagni, il vecchio capocomico, la coppia degli
innamorati e quella dei servi. Solo il musico non rise, che fra noi era il più giovane, e
aveva mani delicate e cuore gentile. Andò incontro alla ragazza, le offrì il braccio e la
condusse accanto al fuoco.
Vorschlag für eine Musterübersetzung:
Ich werde euch alles genau so erzählen, wie es sich zugetragen hat, von dem Abend an, als
ich sie das erste Mal sah. Sie kam vorsichtig auf unsere Wagen zu, als wir gerade um das
Feuer versammelt waren und unsere Rollen übten. Sie war ein Mädchen, wie man es in
jedem Dorf finden kann, scheu, weder hübsch noch hässlich. Ich erinnere mich nicht an ihren
Namen, aber es war sicher ein anderer als jener, den sie später annahm und den jedermann
kennt/kannte.
Sie war wie eine Bäuerin gekleidet und näherte sich zögernd. Ihre Blicke schweiften über die
mit Spitzen und Stickereien verzierten Kostümen von uns Schauspielerinnen, über die hohen
Perücken, die sonst nur adelige Damen trugen. Sie schweiften über die Bühnenrequisiten,
über die vor einem der Wagen aufgestapelten Propekte / Bühnenbilder und der flackernde
Widerschein des Feuers beleuchtete hier ein Gewirr von Reisigzweigen, da den Marmor
eines Balkons, dort die blasse Scheibe des Mondes auf dem tiefen, dunklen Wasser eines
Sees. Ihre Blicke schweiften über die Musikinstrumente, die wir bei den Aufführungen
benutzten, um den Leidenschaften Nachdruck zu verleihen: über poliertes Holz, glänzendes
Blech und über Eselshaut, die mit Nägeln ringsum über die Trommel gespannt war.
Auf alle Dinge blickten die Augen des jungen Bauernmädchens, und alles betrachteten sie
mit demselben Erstaunen. Als ob sie bei jedem Schritt fürchtete, all diese Wunder
verschwinden zu sehen und ganz ohne den Zauber der Umgebung alleine in dieser Nacht
zurückzubleiben, setzte sie vorsichtig einen Fuß vor den anderen.
Kommentar [W6]: „ruhten auf“ ist
ebenfalls möglich. Die Wiederholung des
Verbs wurde bewusst, in Orientierung am
Original, beibehalten
Kommentar [W7]: Glättung. Alles
anderen Lösungen („... ähnelten“) klingen
etwas schwerfällig.
Text 6 (Probeklausur)
Text 7
Luciano Allamprese, "La mia inseparabile compagna", in: Edoardo Albinati (ed.), Italiana:
antologia dei nuovi narratori, Milano (Mondadori) 1991:42
Passano i giorni - e meno male: è la mia sola attuale certezza: che debbono passare. Per
quanto lunghi, per quanto insensatamente penosi, questi giorni dovranno passare.
E mi sfiora la bocca un sorriso. Per un istante brevissimo posso dirmi felice. Per un istante
brevissimo; perché, pronta, la logica mi inchioda a un'ammissione: questa permanenza
lontano da tutti, questa esclusione dal mondo, questa diaspora, per così dire, da ogni
compromesso affettivo come sociale sono solo io ad averla decisa e di conseguenza non c'è
un termine a cui appellarmi, un conto alla rovescia, una meta alla quale, anche se con
lentezza, avvicinarmi. Quando la sera l'occhio cade sul grande specchio adiacente al letto che
spietatamente rivela la rigida pochezza del mio corpo, non posso fare a meno di chiedermi,
ancora una volta chiedermi, se sia proprio io quella cosa macilenta e solitaria che si è
sdoppiata da me, a me sempre più estranea, quasi ostile, ospite mai invitata ma inevitabile.
E il sonno si spegne.
Davvero è la morte di mio padre ad aver messo in discussione tutto? Davvero fu questo
l'evento designato a fare piazza pulita dell'ordine che avevo garantito alla mia vita, ora che
veniva a mancare l'elemento di congiunzione fra me e tutto il resto, l'unica persona per cui la
mia presenza, la mia stessa esistenza, fosse un fatto assolutamente imprescindibile? Più
nulla mi tratteneva - finalmente. Ecco, pensai, nella sua equilibrata indifferenza se n'è
incaricata la natura, ora il Gran Gioco comincia.
Un lungo permesso di malattia dall'ufficio, una piccola somma lasciato da mio padre,
frettolosi saluti ai fratelli - i fratelli non sono la famiglia, anche quando non ne hanno una
propria. Quattordici ore di aereo, una notte in un albergo di lusso, autobus all'assalto di
inerpicati pendii, la vista dell'Oceano - l'improvvisa sensazione che fosse la mia meta. Da
allora è passato un anno e mezzo, né saprei dire quanto ancora dovrà passarne.