Programmheft_Il Trionfo - Hochschule für Künste Bremen
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Programmheft_Il Trionfo - Hochschule für Künste Bremen
Hochschule für Künste Bremen IL TRIONFO DEL TEMPO E DEL DISINGANNO ORATORIUM IN ZWEI TEILEN HWV 46A (1707) — VON GEORG FRIEDRICH HÄNDEL — 10. JULI 2016 / 20 UHR UNSER LIEBEN FRAUEN KIRCHE BREMEN EINTRITT € 10 + 5 ERM. hfk-bremen.de alte-musik-bremen.de EINLEITUNG George Frideric Handel war spätestens seit seiner italienischen Zeit ein international berühmter Komponist. Sein Einfluss kann nicht überschätzt werden; Händel war ein Modell für Generationen von Komponisten, nicht nur in England, wo schon kurz nach seinem Tod sein Gesamtwerk zum ersten Mal herausgegeben wurde und er schon Zeit seines Lebens zum musikalischen Nationalheld aufgestiegen war. Europaweit war er im späten 18. und im 19. Jahrhundert das Modell für den »klassischen Oratorienstil«, der Ernst und Erhabenheit ausstrahlen sollte; Haydn verneigte sich vor Händel und studierte seine Werke; in seinen Oratorien versuchte er, der Händelschen Größe nahezukommen. Mozart bearbeitete den Messiah für zeitgenössische deutschsprachige Aufführungen und erinnerte auch im Schlussensemble seiner Oper Don Giovanni (l’antichissima canzon: Questo è il fin di chi fa mal) an den Stil Händels, Beethoven schrieb schon 1796 Händelvariationen (für Violoncello und Klavier, WoO 45) – bezeichnenderweise auf einen Chor aus dem Oratorium Judas Macchabaeus; Höhepunkt seiner Auseinandersetzung mit dem »erhabenen Stil Händels« bildet aber die Missa Solemnis. Brahms setzte sich mit Händels Partituren auseinander, führte ihn auf und arbeitete an der Gesamtausgabe Chrysanders mit. Die unter Baron van Swieten einsetzenden Händel-Aufführungen in Wien, bei denen auch Mozart mitwirkte, deuteten den Komponisten vor allem in diesem Sinn als Komponist des »Erhabenen«, machten die deutschen Zeitgenossen 2 des späten 18. Jahrhunderts mit seiner Musik vertraut. Auch im 19. Jahrhundert galten die Oratorien Händels lange als absolutes und quasi unerreichbares Stilvorbild. Als Händel im Herbst 1706 Hamburg verließ, wo er seit 1703 am Opernhaus tätg war, um nach Italien zu reisen, war er knapp über 20. Er hatte aber schon Erfahrung als Komponist gesammelt, er hatte auch für das Hamburgische Theater Opern komponiert – von diesen Jugendwerken ist allerdings nur Almira (1705) erhalten. Aus dieser Oper würde er u.a. übrigens für Il Trionfo del Tempo e del Disinganno eine Instrumental– sarabande zur Arie »Lascia la spina« umarbeiten; diese reflektierte er später in seiner Oper Rinaldo als Arie »Lascia ch’io piango«. Die Italienreise Händels ging zunächst über Florenz; sie führte ihn auch nach Venedig und Neapel; bis zum Frühjahr 1710 blieb er in Italien. Im Januar 1707 traf er in Rom ein. Der Kontakt mit der italienischen Oper, aber auch mit der Kirchenmusik sowie der geistlichen dramatischen Musik wurde zu einem nachhaltigen Einfluss auf seine Kompositionsart. Die Italienreise erwies sich somit als ein Glücksfall für den jungen Komponisten, der die italienische Kompositionsart richtig »aufsaugte« und der schnell von der adeligen Gesellschaft mit Aufträgen für verschiedene Arten von Vokalmusik – von Kantaten über Opern bis hin zu Oratorien – hofiert wurde. In Rom fand er in Marchese, später Principe, Ruspoli und in den Kardinälen Pietro Ottoboni und Benedetto Pamphilj wichtige Gönner. Dort auch konnte er neben weltlicher und geistlicher Kantaten seine ersten italienischen Oratorien schreiben: 1707 Il Trionfo del Tempo e del Disinganno auf Text von Pamphilj und 1708 La Resurezzione für Ruspoli. Il Trionfo wurde entweder für die Fastenzeit oder bis MaiJuni 1707 komponiert. Weder Aufführungsort noch -datum sind jedoch überliefert, es existiert aber eine Direktionspartitur, die in Rom für Händel angefertigt wurde und heutzutage in der Santinisammlung in Münster ruht. Am 14. Mai 1707 wurde eine Rechnung ausgestellt für die Anfertigung dieser Partitur und eines Stimmenmaterials, die von Händel gegengezeichnet wurde. Da Rechnungen gerne auch später geschrieben wurden, ist nicht klar, ob sie auf eine künftige oder vergangene Aufführung hindeuten soll: die Fastenzeit würde sich viel eher anbieten als Mai/Juni. Somit käme am ehesten März 1707 als Aufführungszeit in Frage; als vermutlicher Aufführungsort bietet sich der Palast des Kardinals Ottoboni an. Partitur und Material wurden von Antonio Giuseppe Angelini als Kopist abgeschrieben. Der Titel des Oratoriums wird dort aufgeführt als La Bellezza Raueduta nel Trionfo del Tempo è dell’Disinganno messo in Musica dal Sig Giorgio Federico Hendel (dies entspricht dem ursprünglichen Titel des Librettos; hinzu kommt der Name des Komponisten). Es gibt allerdings weitere Kopistenrechnungen aus Dezember 1708 und Januar 1709 (u. a. zu Änderungen in Stimmen, für eine Sinfonia usw.), sodass man auch eventuelle spätere (Wieder-)Aufführungen in Betracht ziehen könnte, vielleicht sogar mit Einfügungen/Änderungen, die nicht von Händels Hand waren. Da die erste Rechnung detailliert Auskunft gibt über die geleistete Arbeit, wissen wir auch mehr oder weniger, wie viele Sänger und Instrumentalisten mitwirken sollten: Neben den vier Gesangssolisten gab es Stimmen für ein Concertino von zwei (Solo-)Violinen und ein Concerto Grosso (tutti) von drei 1. und zwei 2. Violinen, zwei Bratschen und vier Bässen (4. Bassi di Concerto Grosso); hinzu kamen noch zwei Oboen (und Flöten). Der Generalbass wurde von einem Cembalo bestritten. Denkbar ist außerdem, dass die vier Bässe auch Fagott einschließen. Die in der Sonata (nach dem Muster eines Concerto geschrieben) nach dem Rezitativ Questa è la reggia mia der Piacere vorkommende Solostimme für Orgel, die Händel wohl für sich selbst geschrieben hat – sie ist teilweise ein Particell, das weitere improvisierte Hinzufügungen unterstellt – wurde wahrscheinlich auf einem Positiv gespielt (Umfang E–c”); ein solches stand z. B. in S. Lorenzo e Damaso, Kardinal Ottobonis Titularkirche; es hatte 12 Register. Das Continuo wurde übrigens auch in der Sonata, die neben dem Orgelsolo auch solche von Oboe und Violine hat, vom Cembalo begleitet. Das Vergängliche, das Flüchtige der Musik unterstreicht hier das Vergängliche des Reichs des Irdischen Genusses. Die erste Stimme des Concertino wurde wohl von Corelli, dem Anführer des Orchesters, gespielt; Mainwaring schreibt in seiner 1760 erschienenen Händelbiographie – die schon 1761 von Mattheson ins Deutsche übertragen wurde –, dass Händel die ursprünglich 3 im französischen Stil komponierte Ouvertüre eigens für Corelli, dem dieser Stil fremd war, durch eine italienische Sinfonia ersetzte. Dem Spiel Corellis zollte Händel deutlich große Ehre; dies kann man auch der entsprechenden Violinstimme seines zweiten Römischen Oratoriums, La Resurrezione, entnehmen. Händel trat selbst in Rom ebenfalls als Instrumentalvirtuose auf und muss sich mit den violinistischen Möglichkeiten des älteren Kollegen sicher auch auf seinem eigenen Gebiet gemessen haben. Sicher ist, dass er ihnen in seinen in Rom für ihn komponierten Soli hohes Tribut zollte. Die solistischen Sängerrollen sind: Bellezza (Sopran), Piacere (Sopran), Disinganno (Alt) und Tempo (Tenor). Es geht um allegorische Figuren, keine reellen psychologisch ausgearbeiteten »menschliche« Gestalten. Das Libretto schrieb Kardinal Benedetto Pamphilj unter seinem Schäfernamen in der Römischen Accademia degli Arcadi, »Fenizio«. Auch nach Händels Weggang fand das Werk weiter Verwendung, womöglich ganz oder mit Teilen seiner Musik. 1725 gab es eine nicht erhaltene Fassung desselben Pamphilj-Textes von Carlo Cesarini (*1666; † nach 2.9.1741), der vielleicht schon bei früheren Aufführungen Teile von Händels Werk bearbeitete. Die Fassung von 1725 könnte ebenfalls Musik von Händel beinhalten. Die Komposition ist eindeutig ein Oratorium und keine moralische Kantate, obwohl es kaum eine wirklich dramatische Geschichte gibt – dies wäre eventuell ein Hinweis auf die Gattung Kantate, da das Thema nicht biblisch ist und die Figuren allegorisch sind. Es gibt allerdings einige als Oratorium 4 genannte Werke, die genau solche Allegorien sind: bereits 1670 entstand das Oratorio della Vita Humana (Text: Giovanni Filippo Bernini, Musik: Giovanni Bicilli), in dem nur allegorische Figuren auftreten; ein Sepolcro auf Text von Nicolo Minato, L’eternità soggetta al tempo mit allegorischen Figuren wurde 1683 von Antonio Draghi gesetzt. Ähnliche Vorbilder gibt es zwar nicht zuhauf, jedoch kommen sie mit einigem Regelmaß vor. Oratorien mit teils biblischen Gestalten und teils allegorischen Figuren sind häufiger als die rein allegorischen, dennoch sollte man den Umgang auch mit reellen biblischen Personen im Oratorium nicht unbedingt mit dem Umgang mit dem Dramatischen eines weltlichen Bühnenwerks vergleichen. Das Drama spielt sich auf einer anderen Ebene ab, zumal in den allegorisch zu verstehenden Oratorien, die oft eher kontemplativ oder gar belehrend als in einem direkt opernhaften Sinn dramatisch sind – auch wenn die Rezitative und Arien nach dem Opernmuster komponiert sind. Das italienische Oratorium hat allerdings des öfteren eine Besonderheit, das die Oper nicht hat: Es gibt einen Chor, oft mit Kommentarfunktion. Hauptperson in Trionfo del Tempo e del Disinganno ist Bellezza, die Schönheit, die sich zunächst mit Piacere, dem (weltlichen) Vergnügen verbindet, im Laufe des Oratoriums aber zur Einischt kommt, dass alles Irdische vergänglich ist und somit zu Umkehr kommt und sich der göttlichen Wahrheit verschreibt. Ihre Schlussarie, Tu del Ciel, ministro eletto, zeigt von der Schreibart her die Wandlung, die Bellezza durchgemacht hat und demonstriert ihre Bekehrung. Die vier Charaktere bilden zunächst zwei widersprüchliche Zweierpaare: Bellezza und Piacere einerseits und Tempo (Zeit) und Disinganno (Enttäuschung, im Sinne einer Ent-Täuschung; nicht umsonst wird in der englischen Bearbeitung das Wort Truth verwendet), wobei der Idee der Verführung und des Vergnügens diese der Bekehrung, der Reue und der Büße entgegengesetzt wird. Vergils »et fugit inreparabile tempus« liegt sicher mit zugrunde bei der »Bekehrung« der Bellezza, von Il voler nel fior degl’anni zur Erkenntnis, dass der von Bellezza nicht als betrüglich erkannte fido specchio (der treue Spiegel) des Anfangs zu einem infido, untreuen, wird und dass nur der vero specchio immortal der Vanitas des irdischen Spiegels entgegengesetzt werden kann. Zur allegorischen Darstellung der dramatis personæ im Libretto kommt eine entsprechende farbenreiche musikalische Deutung, die sich sowohl in der Wahl der Tonarten als in der Instrumentierung der Arien zeigt. Einzelne Charaktere haben bestimmte Grundtonarten, der Einsatz von (Solo-)Instrumenten ist der Bedeutung des Textes angepasst. Die unterschiedlichen Situationen und Charaktere werden musikalisch manchmal exuberant, manchmal unter extremer Zurückhaltung bildhaft untermalt. Dabei mischt Händel gekonnt das, was er in Deutschland gelernt und als Erfahrung gesammelt hat mit den italienischen musikalischen Herangehensweisen, die er auch in persönlichen Bekanntschaften met wichtigen Römischen Komponisten kennenlernte. generellen musikalischen Offenheit; die jugendliche Frische, die fast unbändige oder zumindest ungebundene charakterisieren seine Musik dieser Zeit, nicht nur die dramatische. Auch die beiden römischen Oratorien, Trionfo del Tempo und Resurrezione zeigen dies. Zeit seines Lebens schöpfte Handel aus dieser italienischen Quelle, aus dem italienischen Frühwerk wird vieles später wiederverwendet. Mehrere Sätze auch aus Il Trionfo del Tempo wurden in späteren Werken adaptiert und für sie teils umgeschrieben, darunter La Resurrezione, die Brockespassion, Rinaldo, Floridante, Agrippina, Parnasso in Festa, Radamisto, Amadigi, Muzio Scevola, Deborah und einige andere mehr. Il Trionfo del Tempo als erstes (italienisches) Händelsches Oratorium hat außerdem eine Geschichte über 1707 hinaus: als Il Trionfo del Tempo e della Verità (HWV 46b) fand eine stark überarbeitete Fassung in drei (statt der ursprünglich üblichen zwei Teilen eines italienischen Oratoriums) Teilen am 23. März 1737 im Theatre Royal, Covent Garden seine Uraufführung. Stärker umgestaltet, aber mit den meisten Nummern der beiden italienischen Fassungen, schrieb er als letztes oratorisches Werk 1757 The Triumph of Time and Truth, dessen Uraufführung am 11. März 1757 stattfand. Text: Greta Haenen Händels italienische Zeit (1706–1710) ist eine Zeit des jugendlichen Aufbruchs, des Experimentierens, des Kennenlernens, der Auseinandersetzung mit neuen musikalischen Idiomen und der 5 PROGRAMM GEORG FRIEDRICH HÄNDEL (1685—1759) Il trionfo del Tempo e del Disinganno HWV 46a (1707) Oratorium in zwei Teilen Libretto von Benedetto Cardinal Pamphilj PARTE PRIMA Sonata del ouvertura 1. Aria Belezza: Fido specchio 1a. Recitativo Piacere/Belleza: Io che sono il piacere 2. Aria Piacere: Fosco genio 2a. Recitativo Tempo/Disinganno: Ed io che il tempo sono 3. Aria Disinganno: Se la bellezza 3a. Recitativo B/P/D/T: Dunque si prendan l’armi 4. Aria Belezza: Una schiera di piaceri 4a. Recitativo Tempo: I colossi del sole 5. Aria Tempo: Urne voi 6a. Recitativo Belezza/Disinganno: Della vita mortale 7. Aria Belezza: Un pensiero nemico di pace 9a. Recitativo Piacere: Questa è la reggia mia 10. Sonata e Recitativo Belezza 11. Aria Piacere: Un leggiadro giovinetto 13. Aria Disinganno: Crede l’uomo 13a. Recitativo Tempo: Quanto chiude la terra 14. Aria Tempo: Folle dunque PARTE SECONDA 15a. Recitativo Tempo: Se del falso Piacere 17. Aria Belezza: Io sperai 17a. Recitativo Piacere: Tu vivi invan dolente 18. Aria Piacere: Tu giurasti 20a. Recitativo Tempo: È un ostinato errore 21. Aria Tempo: È ben folle quel nocchier 21a. Recitativo Belezza: Dicesti il vero 22. Quartetto B/P/D/T: Voglio Tempo 22a. Recitativo Belezza/Disinganno: Presso la reggia 23. Aria Piacere: Lascia la spina 6 23a. Recitativo Bellezza/Disinganno: Con troppo chiare note 24. Aria Belezza: Voglio cangiar desio 27. Recitativo Belezza: Sì bella penitenza 28. Duetto Disinganno/Tempo: Il bel pianto 28a. Recitativo Belezza: Piacer, che meco già vivesti 29. Aria Piacere: Come nembo 30. Recitativo Belezza: Pure del cielo 31. Aria Belezza: Tu del ciel SOLIST*INNEN DER HFK BREMEN Belezza Piacere Disinganno Tempo Kerstin Dietl, Réka Kristóf Aeneas Humm, Réka Kristóf, Anne Richter Nina Böhlke, Tobias Hechler Enrico Busia, Christian Volkmann BAROCKORCHESTER DER HFK BREMEN Violine 1 Violine 2 Viola Violoncello Kontrabass Fagott Oboe Blockflöte Orgel/Cembalo Laute Franciska Anna Hajdu (Solo), Laura Fierro Rodriguez, Julia Krikkay, Amy Shen, Maria Carrasco Gil, Luis Pinzon Acosta (Solo), Vladyslav Snadchuk Vinicius De Moraes Nogueira, Sevastyana Leonova Devid Agaiarov, Johanna Rodeck-Martynchuk Barbara Hartrumpf (Solo), Neda Moshrefizadeh, Diego Rojas González Rodolfo Ventorim Ester van der Veen Motoko Matsuda-Jaser, Petra Václavíková, Ester van der Veen, Petra Václavíková Heejin Kim, Sara Johnson, Torsten Übelhör Jakub Mitrik, Sergio Coto Blanco Coaching Torsten Übehlhör Leitung Thomas Albert, Gemma Bertagnolli 7 LIBRETTO Sonata Allegro – Adagio – Allegro PARTE PRIMA Bellezza Fido specchio, in te vagheggio lo splendor degl’anni miei, pur un dì mi cangerò. Tu sarai sempre qual sei, io qual sono e in te mi veggio, sempre bella non sarò. Schönheit Treuer Spiegel, in dir bewundere ich die Pracht meiner jungen Jahre: Doch ich werde einst verändert sein. Du wirst immer bleiben, wie du bist, ich bin, wie ich in dir mich sehe; ich werde nicht immer schön sein. Piacere Io, che sono il Piacere, giuro che sempre sarai bella. Vergnügen Ich bin das Vergnügen, ich schwöre, du wirst immer schön sein. Bellezza Ed io, che sono la Bellezza, giuro di non lasciarti, e se manco di fede importuno dolor sia mia mercede. Schönheit Und ich, ich bin die Schönheit, ich schwöre, dich nicht zu verlassen: Und wenn ich mein Versprechen breche, soll lästiger Schmerz mein Lohn sein. Piacere Fosco genio, e nero duolo mai non vien per esser solo, perchè un sol, mille ne fa. Chi l’impero lor non toglie dal pensiero giorno lieto non avrà. Vergnügen Ein finsterer Geist, ein düsterer Schmerz kommt niemals allein, weil ein einziger tausend neue schafft. Wer ihre Tyrannei nicht aus seinen Gedanken verbannt, wird nie einen frohen Tag erleben. Tempo Ed io, che ’l Tempo sono, … Zeit Und ich, ich bin die Zeit … Disinganno … unito al Disinganno, … Erkenntnis … mit der Erkenntnis vereint … Tempo … discoprirò, che la Bellezza è un fiore… Zeit … ich werde zeigen, dass die Schönheit eine Blume ist … 8 Disinganno … che in un sol giorno è vago e bello, e more. Erkenntnis … die nur einen Tag zart und schön ist und stirbt. Se la bellezza perde vaghezza, se cade o more non torna più. E un sol momento ride contento il vago fiore di gioventù. Wenn die Schönheit ihren Liebreiz verliert, wenn sie welkt oder stirbt, kehrt sie nicht wieder. Nur einen Augenblick lacht voller Glück die zarte Blume der Jugend Piacere Dunque si prendan l’armi … Vergnügen So greifen wir denn zu den Waffen … Bellezza e si vedrà quali più forza avranno: Schönheit … und werden sehen, wer die größere Macht hat: Piacere ll Piacer, … Vergnügen Das Vergnügen … Bellezza … la Bellezza, … Schönheit … die Schönheit, … Tempo … il Tempo, … Zeit … die Zeit, … Disinganno … il Disinganno. Erkenntnis … die Erkenntnis. Bellezza Una schiera di piaceri pose in guardia i miei pensieri, l’altra meco pugnerà. Si vedrà se del Tempo i morsi altieri san rapir la mia beltà. Schönheit Ein Heer der Freuden habe ich meinen Gedanken als Wache gegeben das andere wird mit mir kämpfen. Wir werden sehen, ob mir die mächtigen Bisse der Zeit meine Schönheit rauben können. Tempo I colossi del sole per me caddero a terra, e una frale beltà meco fa guerra? Zeit Die großen Statuen des Sonnengotts fielen durch mich zu Boden: und eine vergängliche Schönheit erklärt mir den Krieg? Ihr Urnen, die ihr so viele Schöne in euch schließt öffnet euch, zeigt mir, ob von ihnen in euch ein wenig Licht geblieben ist. Urne voi, che racchiudete tante belle, apritevi, mostratemi se di quelle qualche luce in voi restò. 9 Ma chiudetevi: sono larve di dolore, sono scheletri d’orrore ch’il mio dente abbandonò. So schließt euch: Schatten des Schmerzes, schreckliche Gerippe sind es, die mein Zahn zurückgelassen hat. Disinganno Della vita mortale, scorre un guardo il confine. Pur di tempo sì breve voi l’aurora vedete, e non il fine. Erkenntnis Ein Blick genügt, die Spanne des Lebens zu ermessen. Doch selbst in einer so kurzen Zeit seht ihr nur den Morgen, nicht das Ende. Bellezza Il Tempo non si vede; nacque per gioco sol di folle arciero ed è solo crudel per chi gli crede. Schönheit Die Zeit ist nicht zu sehen; sie entstand durch den Scherz eines tollen Bogenschützen und ist nur zu denen grausam, die ihr glauben. Piacere Un pensiero nemico di pace fece il Tempo volubile edace e con l’ali la falce gli diè. Nacque un altro leggiadro pensiero per negare sì rigido impero ond’il Tempo più tempo non è. Vergnügen Ein dem Frieden feindlicher Gedanke machte die unbeständige Zeit gefräßig und gab ihr mit den Flügeln die Sense. Ein anderer, leichterer Gedanke entstand, die so strenge Tyrannei zurückzuweisen, weshalb die Zeit nicht mehr Zeit ist. Piacere Questa è la reggia mia: vagheggiami diviso in varie forme. Coronato di rose, mira scolpito in bianco marmo eletto leggiadro stuol di giovanetti erranti. Mira quello che dorme, ai papaveri unite l’edere fresche a lui fanno corona. Molto crine è disciolto e non si cangia o per pensier s’imbianca. Vergnügen Das ist mein Palast, bewundere mich in vielerlei Gestalt. Sieh, von Rosen umkränzt, in feinsten weißen Marmor gehauen, eine gutgelaunte Schar junger Leute. Sieh jenen, der dort schläft: Mohnblumen, geflochten in grünen Efeu, bilden seine Krone, sein dichtes Haar ist gelöst, verfärbt sich nicht, wird nicht weiß von sorgenvollen Gedanken. Poi dalla parte manca vedi il dolore in nera pietra espresso col riso al labbro un bel garzon l’uccide. L’altro, ch’è presso a lui, col fiero ciglio guarda le soglie della reggia, e dice, ire pallide cure, ite in esiglio. Dann auf der linken Seite, sieh den Schmerz, auf schwarzem Stein, lächelnd erschlägt ihn ein schöner Jüngling. Ein anderer, ihm nahe, bewacht mit stolzem Blick die Tore meines Palasts und spricht: »Weicht, bleiche Sorgen, schert euch fort.« Sonata et Recitativo Belezza 10 Bellezza Taci: qual suono ascolto? Schönheit Schweig: Welche Töne höre ich? Piacere Un leggiadro giovinetto bel diletto desta in suono lusinghier. E vuol far con nuovo invito che l’udito abbia ancor il suo piacer. Vergnügen Ein anmutiger Jüngling weckt Entzücken mit schmeichelnden Klängen. Und möchte aufs Neue lockend dem Ohr Freude bereiten. Disinganno Crede l’uomo ch’egli riposi quando spiega i vanni occulti. Ma se i colpi sono ascosi, chiari poi sono gl’insulti. Erkenntnis Die Menschen glauben, die Zeit schlafe, wenn sie ihre verborgenen Schwingen ausbreitet. Auch wenn ihre Hiebe nicht zu sehen sind, sind ihre Beleidigungen deutlich. Tempo Quanto chiude la terra è regno mio. Se me veder non vuoi, pensa di farti in Cielo un’alma sede, in Cielo, ov’io non giungo, e dove bella Eternità risiede. Fa di me miglior uso, che se il Piacer t’inganna, con tardo pentimento mi chiamerai, ed io dirò, non sento. Zeit Was auch immer die Erde umfasst, ist mein Reich. Wenn du mich nicht sehen willst, suche dir im Himmel einen erhabenen Platz zu bereiten; im Himmel, wohin ich nicht gelangen werde und wo die schöne Ewigkeit wohnt. Nutze mich besser, denn wenn das Vergnügen dich täuscht, wirst du mich mit später Reue rufen, und ich werde sagen: »Ich höre dich nicht.« Folle, dunque tu sola presumi che non voli più il Tempo per te? Vó per mari, per monti, per fiumi; chiuse rocche fra bellici orrori, lieti alberghi di rozzi pastori solo ardito trascorro col piè. Du Närrin, du allein nimmst also an, für dich enteile die Zeit nicht? Ich ziehe durch Meere, Berge, Flüsse, feste Felsen; die Schrecken des Krieges, die heiteren Hütten urwüchsiger Hirten durchquere allein ich kühnen Fußes. Bellezza Se non sei più ministro di pene, per vedere ov’è il vero piacere la tua scorta fedel seguirò. Schönheit Wenn du keine Schmerzen mehr bringst, werde ich getreulich deiner Führung folgen, um zu sehen, wo die wahre Freude wohnt. Piacere Non lasciare la strada fiorita, tu non sai qual sentiero t’addita. Vergnügen Verlasse die blumengeschmückte Straße nicht: Du weißt nicht, welcher Weg dir bestimmt ist 11 Disinganno, Tempo Se ti vanti piacere sincero, perchè fuggi lo specchio del vero? Erkenntnis, Zeit Wenn du dich wahrer Freuden rühmst, warum fliehst du den Spiegel der Wahrheit? Piacere Io preparo presenti contenti, e non offro un’immagin di bene ch’agli eroi per idea s’inventò. Vergnügen Ich sorge für Behagen im Augenblick und biete das Gute nicht als ein Traumbild,das für Helden ersonnen wurde. PARTE SECONDA Tempo Se del falso piacere vedesti già la favolosa scena, del teatro del vero ecco, il velo io discopro. Osserva, e mira, mira colei che Verità s’appella; vedrai che non s’adorna, e sempre è bella. Con bianca veste cinta, mira come si volge al Sole eterno, e quello specchio mira che a frale sguardo, ed all’uman pensiero, il falso rende al falso, il vero al vero. Zeit Da du die märchenhafte Bühne der falschen Freude gesehen hast, werde ich nun zum Theater der Wahrheit den Vorhang öffnen. Schau sie dir an, sie, die sich Wahrheit nennt; du wirst sehen, dass sie sich nicht schmückt und immer schön ist. Sieh, wie sie sich, in weiße Gewänder gehüllt, zur ewigen Sonne wendet und sieh auch diesen Spiegel, der dem scheuen Blick und dem Denken der Menschen das Falsche als falsch und das Wahre als wahr zeigt. Bellezza Io sperai trovar nel vero il piacer, né il veggio ancora. Anzi il mio fato severo si contrista alla sua vista e si perde o si scolora. Schönheit lch hoffte, in der Wahrheit die Freude zu finden, doch ich sehe sie noch nicht. Vielmehr lass: mein herbes Schicksal mich bei ihrem Anblick traurig werden, zweifeln und erbleichen. Piacere Tu vivi invan dolente, se mi cerchi e mi chiami, io son presente. Vergnügen Du leidest vergeblich, wenn du mich suchst und rufst, bin ich da. Tu giurasti di mai non lasciarmi, o il dolore che sia tua mercede. Se risolvi di più non amarmi, sai la pena a chi manca di fede. Du hast geschworen, mich nie zu verlassen, oder Schmerz wäre dein Lohn. Wenn du beschließt, mich nicht mehr zu lieben, wirst du wie alle Abtrünnigen bestraft. 12 Tempo È un ostinato errore lasciar sicuro duce che il piede errante a buon cammino ha scorto. Teco è Tempo, e il Consiglio, e presto il porto. Zeit Es ist ein ständig wiederkehrender Fehler, auf den sicheren Führer zu verzichten, der die irrenden Schritte auf einen guten Weg gelenkt hat. Bei dir ist die Zeit und der Rat, und der Hafen ist nah. È ben folle quel nocchier che non vuol cangiar sentier e conosce il vento infido. Navicella benchè adorna, torna, torna, finchè hai tempo, torna al lido. Sehr töricht ist der Steuermann, der seinen Kurs nicht ändern will und dem launischen Wind begegnet. O Schiff, auch wenn du gut gerüstet bist, kehre um, kehre um, solange du Zeit hast, kehre ans Ufer zurück. Bellezza Dicesti il vero, e benchè tardi intesi. Ma pur nel mio cordoglio, con riflesso di duol, voglio e non voglio. Schönheit Du sagst die Wahrheit, und endlich verstehe ich. Doch wenn ich in meinem Kummer meine Sorgen betrachte, dann will und will ich nicht. Voglio Tempo per risolvere … Ich will Zeit, um zu entscheiden … Tempo Teco è il Tempo … Zeit Bei dir ist die Zeit … Disinganno ed il Consiglio … Erkenntnis und der Rat … Piacere ma il Consiglio è suo dolor. Vergnügen Doch der Rat bringt ihr den Schmerz. Tempo Pria ch’io ti converta in polvere, segui il ben … Zeit Bevor ich dich in Staub verwandle, folge dem Guten … Disinganno fuggi il periglio … Erkenntnis fliehe die Gefahr … Piacere tempo avrà per cangiar cor. Vergnügen Zeit wirst du haben, deinen Sinn zu ändern. Bellezza Presso la reggia ove il Piacer risiede giace vasto giardino. Schönheit Nahe dem Palast, wo das Vergnügen wohnt, liegt ein weiter Garten. 13 Ivi torbido rio si muove appena per aura densa e grave; dimmi, quel rio, d’onde deriva? Dort quält sich ein düsterer Strom durch die dichte und schwere Luft; sag mir, dieser Fluss, wo entspringt er? Disinganno Ascolta. Deriva da quei pianti che sparge il mondo insano, e formano quell’aura gravi e densi sospir di folli amanti. Erkenntnis Höre. Er entspringt aus jenen Tränen, welche die törichte Welt weint, und die tiefen und vollen Seufzer liebender Narren schaffen diese Luft. Bellezza Giunge quel rio nel mar? Schönheit Erreicht dieser Fluss das Meer? Disinganno Manca per via, perchè il suo fine, e il buon sentiero oblia. Erkenntnis Er verfehlt seinen Lauf, weil er sein Ziel und den sicheren Weg vergisst. Bellezza Ed il pianto de’ giusti? Schönheit Und die Tränen der Rechtschaffenen? Disinganno Ha stille che in vederle sembrano vili, e pure in ciel son perle. Erkenntnis Sie sind Tropfen, die nichtig scheinen, wenn man sie sieht, doch im Himmel Perlen. Piacere Lascia la spina, cogli la rosa; tu vai cercando il tuo dolor. Canuta brina per mano ascosa, giungerà quando nol crede il cor. Vergnügen Lass die Dornen, pflücke die Rose; du bist auf der Suche nach deinem Schmerz. Weißer Reif von verborgener Hand stellt sich ein, wenn es dein Herz nicht erwartet. Bellezza Con troppo chiare note la Verità mi chiama. Disinganno cortese, dello specchio del vero deh! fa ch’io veggia un’altra volta il lume. Schönheit Mit zu deutlichen Tönen ruft mich die Wahrheit. Freundliche Erkenntnis, ach, lass mich noch einmal das Licht im Spiegel der Wahrheit sehen. Disinganno Eccolo, è pronto. Erkenntnis Hier ist sie, für dich bereit. 14 Bellezza Addio, Piacere, addio. Schönheit Leb wohl, Vergnügen, leb wohl. Voglio cangiar desio e voglio dir, mi pento, non dir, mi pentirò. Quando mancar mi sento, non voglio dar a Dio quello che più non ho. Ich will mein Begehren ändern, ich will sagen: »Ich bereue«, nicht sagen: »Ich werde bereuen.« Wenn ich fühle, dass ich sterbe, will ich Gott nicht geben, was ich nicht mehr habe. Sì, bella Penitenza, mentre io spargo pentita amaro pianto porgimi irsuto ammanto, e mentre io getto i fior, dammi le spine. In romito confine vivrò, ma sempre sola, che deve solo in solitari chiostri, mostro di vanità, viver fra i mostri. Ja, schöne Reue, während ich reuevoll bittere Tranen weine, reiche mir das Büßergewand, und während ich die Blumen wegwerfe, gib mir die Dornen. An einsamen Orten werde ich leben, doch immer allein, denn ein Ungeheuer der Eitelkeit muss unter Ungeheuern leben, allein und abgeschieden Disinganno, Tempo Il bel pianto dell’aurora che s’indora, è una perla in ogni fior. Pur men grato è quell’umore di quel pianto, che in un core già pentito, apre il dolor. Erkenntnis, Zeit Die schönen Tränen des Morgens, der in Gold erglüht, sind Perlen in den Blumen. Doch weniger angenehm ist die Nässe jener Tränen, die der Schmerz in einem Herzen weckt, das schon bereut. Bellezza Piacer, che meco già vivesti, il vero tu mira ancora in questo specchio o vola sì lontano da me, che del tuo vil natale io mai più non rammenti il quando e il come, e di te perda e la memoria e il nome. Schönheit Freude, die du bereits mit mir lebtest, betrachte noch einmal in diesem Spiegel die Wahrheit oder entferne dich von mir, damit ich nie mehr an das Wann und das Wie deines niedrigen Standes erinnert werde und die Erinnerung an dich und deinen Namen verliere. Piacere Come nembo che fugge col vento, da te fuggo sdegnato e severo. Se l’inganno è il mio solo alimento come viver io posso nel vero? Vergnügen Wie die Wolke vor dem Wind flieht, so fliehe ich dich zornig und ernst. Wenn die Täuschung meine einzige Nahrung ist, wie kann ich dann in der Wahrheit leben? Bellezza Pure del cielo intelligenze eterne, che vera scuola a ben amare aprite, Schönheit Reine und ewige Wesen des Himmels, die ihr lehrt, was reine Liebe ist, 15 udite, angeli, udite il pianto mio, e se la Verità dal Sole eterno tragge luce immortale, e a me lo scopre, fate che al gran desio rispondanl’opre. hört, ihr Engel, hört mein Weinen und Klagen, und wenn die Wahrheit von der ewigen Sonne ihr unsterbliches Licht empfängt und mir enthüllt, lasst mich tun, was ich so sehr ersehne. Tu del ciel ministro eletto non vedrai più nel mio petto voglia infida, o vano ardor. E se vissi ingrata a Dio, tu custode del cor mio a lui porta il nuovo cor. Du, erhabene Dienerin des Himmels, wirst nie mehr in meiner Brust treuloses, eitles Begehren entdecken. Und wenn ich Gott nicht geachtet habe, wirst du als Wächterin meinesHerzens ihm das neue Herz bringen. 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